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Der 3. Berliner Kinderkongress

Vom 30. Juni bis zum 03. Juli 2014 tritt
der 3. Berliner Kinderkongress zum Thema
Selbstbestimmung im GRIPS Podewil zusammen. Forschungsgegenstand ist die Schule: Kinder aus 4 Grundschulklassen zwischen 10 und 11 Jahren untersuchen ihre Vorstellungen einer selbstbestimmten Schule und fragen sich: „Wie soll meine Schule sein?“

BITTE NICHT AUFRÄUMEN!

GRIPS Theater, Kinderkongress, Juli 2014

Du hast keinen Platz im Klassenzimmer! Mit dieser These begann unsere Arbeit in unserer Versuchsschule im Podewil. Gemeinsam bauten wir in unserem Raum das Klassenzimmer nach, dass die Kinder aus ihrer Schule kannten. Mit richtigen Schultischen und -stühlen entstand einmal die Gruppentisch-Sitzordnung und dann die der klassischen zweier Tischreihen. Mit einer selbst entwickelten Versuchsordnung testeten wir die dadurch entstandenen Räume auf den eigenen Platz, auf Möglichkeiten für Heimlichkeiten, auf unbemerkten Blickkontakt und schnelles und verrücktes Bewegen. Wir fragten auch: Wie gut konntest du vergessen, dass um dich herum noch andere Menschen sind? Wir sammelten alle Ergebnisse auf einem großen Auswertungsbogen und überlegten: Wofür ist Platz im Klassenzimmer? Und wofür ist kein Platz? Und: welche Art von Platz brauchst du, um dich wohlzufühlen?

Wir entschieden, dass es sich besser denken lässt, wenn wir die Tische und Stühle an eine Seite des Raumes stellen würden und schafften uns und unseren Fragen Platz.

Was sind das für Orte, an denen sich unterschiedlichste Menschen wohlfühlen? Zusammen blätterten wir den Raumkatalog der Wohlfühl-Orte durch und trafen unter anderem auf ein Zelt, das auf einer Sommerwiese aufgeschlagen steht, ein Raumschiff auf seinem Weg durchs Weltall, einen Swimming-Pool, den Fernsehturm und eine Höhle versteckt im Wald.

Sind das auch Orte, an denen wir uns wohlfühlen? Gemeinsam bauten wir ein Zelt in unserem Raum auf, krochen hinein und überlegten. Wie fühlt sich das hier drin an? „Heiß, gemütlich, zu eng, Können wir Zombie spielen? Ich sehe den Sternenhimmel! Ich will mich hinlegen!“ So verschieden die Reaktionen. Wir stellten also fest, dass unsere Bedürfnisse an einen Raum in bestimmten Situationen ganz unterschiedliche sind und das ein Raum, der für alle sein soll, wie das Klassenzimmer ganz schön wandelbar sein muss. Oder hat er vielleicht einfach verschiedene Ecken, die man dann als Stationen für unterschiedlichstes Tun ablaufen kann?

Um einen Ort ordentlich zu testen muss man sich an diesem befinden. Wir entschieden also drei Orte in unser Versuchsklassenzimmer zu holen: das Zelt stand ja schon, eine versteckte Höhle und ein Raumschiff sollten gebaut werden. Einen ganzen Tag schnitten wir Kartons zurecht, gruben Tunnel aus, strichen Außenwände in der richtigen Farbe (der Tunnel zur Höhle in gedeckten braun/grün Tönen, das Raumschiff in einem knalligen rot) und entwarfen ein Steuerbord und einen Turbinenantrieb. Zuletzt integrierten wir das Zelt in die Höhlenlandschaft, einem Wurzelgewächs, einem Fuchsbau ähnlich unter der Erde.

Jetzt war unser Raum voll, wir hatten keinen Platz mehr. Wir mussten ausweichen. Draußen im Hof des Podewils war eine Hüpfburg aufgebaut. Ein toller Ort! Wir fanden in ihm ziemlich genau das was gerade gebraucht wurde: ein Spielplatz mit Wolken zum ausruhen. Die Kinder beschrieben den Ort folgendermaßen: „Es ist ein Tempel mit Säulen, die mit Luft gefüllt sind und er ist groß und lila. Ich denke, ich bin im 7. Himmel, wenn ich auf der Hüpfburg springen und Pause machen kann. Wir spielen Fangen, Hüpfen, Wegschubsen und mit unseren Handys.“

Die Tage des Kongress sind beinahe vorbei und wir überlegen: Welche Eigenarten unserer Höhle, des Raumschiffs und der Hüpfburg haben uns froh gemacht? Warum konnten wir uns an den Orten so besonders wohlfühlen? Und was können wir davon mit zurück in unser Klassenzimmer nehmen? In einer Erfinder-Werkstatt entstanden Skizzen von mit Gummi bezogenen Tischen und Stühlen, auf denen man sehr gut hüpfen kann, eine Brille, die von innen den Sternenhimmel zeigt und eine Türklinke, die mit dem runter drücken alles Licht auf einmal verschluckt und es einfach nur dunkel ist. Die Erfindungen sind klein und unauffällig genug, um in die Klassenzimmer integriert werden zu können. Sie unterwandern die feste Ordnung im Raum und lassen etwas mehr Platz für die eigenen Bedürfnisse, nämlich einfach mal das Licht ausmachen zu können und den Sternenhimmel zu sehen.

Und am Ende ist das selbst gebaute Raumschiff zusammen mit der Klasse 5a der Galilei-Grundschule mit der U-Bahn in deren Klassenzimmer nach Kreuzberg gefahren!

Lisa Vera Schwabe